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HARTMUT DIEKMANN

Einführung in die Arbeit Frank Schäpels

Rede zur Ausstellungseröffnung von « 12 » Haus am Lützowplatz, Berlin 2008

Karin Pott wird Sie gleich mit auf den Weg zu den Arbeiten von elf der zwölf Künstlerinnen und Künstler nehmen, ich führe Sie nur zu einem: Und zwar zu Frank Schäpel.

Seine Arbeiten hängen zusammen und allein in der Studio Galerie, gleichsam in den Katakomben des Hauses. Im Zwischenreich, in das Sie herabsteigen müssen.
Frank Schäpel stammt aus Vechta in Niedersachsen. Er hat an der Hochschule für Künste in Bremen und dann an der Universität der Künste in Berlin studiert und war Meisterschüler von Georg Baselitz. Zwei Jahre Studium der Anatomie an der Humboldtuniversität hat er dem Kunststudium hinzugefügt.

Seine Malerei hat etwas überaus Verblüffendes. Er malt Lebende als wären sie tot. Kunst versuchte einmal, durch ihre verblüffende Technik Totem Leben einzuhauchen. Frank Schäpel versucht, Lebende durch seine Kunst in Tote zu verwandeln, um ihnen ein zweites Leben zu schenken.
Das gelingt ihm mehr als es einem erlaubt scheint.

Die Studiogalerie versammelt 20 Arbeiten, die den menschlichen Kopf abbilden. Beziehungsweise das daran abbilden, das man eigentlich nicht sieht oder nicht ansieht. Totenschädel, auf den eine ruhige Hand den Namen der früheren Besitzerin geschrieben hat, bei seiner Betrachtung kommen einem allerdings Zweifel, ob es einen Sinn macht, das Verhältnis zu seinem eigenen Kopf als ein Besitzverhältnis auszugeben.
Es gibt in Frank Schäpels Arbeiten nicht die Hand eines Lebenden, die den Totenschädel ihm selbst zum memento mori entgegenhält. Als Zuschauer tritt man hinzu.
Und sieht eine kalte Aluminiumplatte, in der Größe von 25 x 25 cm, aus deren Mitte farbige Wärme entgegenkommt. Das erschien mir erst so, als ich bereits gegangen war. Es kam ein Echo von einer Stelle zu mir, von der ich dachte, dort müsse es totenstill sein.

Ich kann es nur wiederholen: Die Lebenden durch den Tod zu schicken um sie dann erneut zu begrüßen gelingt Frank Schäpel mehr als es einem erlaubt scheint.

Das gilt auch besonders für die als Tote hingestreckten Lebenden, die hier nicht gezeigt werden.
Es gelingt bis hin zur Gänsehaut des Betrachters. Gänsehaut deswegen, weil er als Betrachter um seinen Stand fürchtet. Man kommt sich unzuständig vor, zu unbekümmert gegenüber dieser Apotheose des Lebendig-Tot-Lebendigen.
Denn Frank Schäpel nimmt uns den selbstverständlichen Blick, der die Erscheinungen perspektivisch ordnet. Bei ihm stehen die Gesichtspunkte in einer heroischen Gleichartigkeit neben einander, als ob Gott selbst sie gesehen hätte. Als ob sich die Parallelen nicht einmal im Unendlichen schnitten.
Er hinterlegt seine Modelle mit einem unverrückbaren Maßstab und malt an ihm entlang, als ob es darum ginge, das malende Subjekt auszulöschen.
Vielleicht liegt darin der Grund für die atemberaubende Akribie. Sie mag als Entschuldigung gelten für dieses Opfer, das der Künstler bringt. Lebende im Durchschreiten des Todes zum Dasein zu verhelfen.
Wenn ich zu Beginn über die blasse Zwölf der Vollständigkeit sinniert habe, dann tat ich das nur, um mit Blick auf die Malerei Frank Schäpels zu sagen: In ihr schlägt es dreizehn, aber mit einem sehr feinen Hammer gegen das Stundenglas.

 

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